Der bis letzten Freitag bestehende Stopp der angefangenen Zerstörung des Kartäuserserwall 14 wird ab heute, Montag 19.10, fortgesetzt. Laut Bauamt sind alle offenen Fragen zum geplanten Abriss und des Neubaus von zwei Mini-Luxus-Stadthäusern von der Eigentümerin, der Gewerbepark Hüsten GmbH, beantwortet worden. Die Fortsetzung des Abriss des komplett intakten und bewohnbaren Haus wurde letzte Woche Freitag während der Akteneinsicht von Abriss und Baugenehmigung beim Bauaufsichtsamt bestätigt.
Bereits am Mittwoch letzter Woche besuchten Nachbar*innen und Besetzer*innen des Kartäuserwall 14 erneut das Bauaufsichtsamt in Köln-Deutz. Dabei wurde nachdrücklich Akteneinsicht der Abriss- und Baugenehmigung für den Kartäuserwall 14 verlangt. Seit dem letzten Besuch am 14. September, noch zur Zeit der Besetzung, hatte sich in dieser Hinsicht nicht viel getan. Die anliegenden Nachbarhäuser, die die baulichen Akten als direkt Betroffene des Neubaus direkt einsehen können, bekamen bis dahin keinen Zugriff seitens der Behörde. Der Besuch trug dazu bei, dass am darauf folgenden Freitag die Anwältin eines der Nachbarhäuser die Akten einsehen konnte. Begleitet wurde sie von zwei AnwohnerInnen.
Zur Akteneinsicht
Das Bauamt hat die vergangenen Wochen seit dem ersten Besuch dazu genutzt, sich rechtlich abzusichern und fehlerhafte/fehlende Stellen in den Genehmigungen zu reparieren. Damalige Verfahrensfehler wurden dabei schnell ausgebügelt. Leider nützt diese Einseitigkeit Familie Montag wenig, denn die soziale Verträglichkeit der Abriss- und Baugenehmigung wurde nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Hätte die Behörde die soziale Verträglichkeit des Bauvorhabens der Hüsten geprüft, wäre sie schon damals in Kontakt mit Familie Montag gekommen und hätte anders handeln können.
Laut Akteneinsicht beruht die Abrissgenehmigung auf falschen Tatsachen. Die Gewerbepark Hüsten GmbH gab 2012 in ihrem Antrag an, das es sich nur um eine Gaststätte mit Pächterwohnung handelt, und unterschlug, dass die Gaststätte damals schon geschlossen war. Seit der Schliessung wohnten dort keine Pächter mehr. Der Rest des Hauses wurde von Familie Montag zur Miete bewohnt. Dem Bauamt war und ist dies allerdings egal, denn eine Verordnung gegen Zweckentfremdung von Wohnraum trat erst 2013 in Kraft und wird rückwirkend nicht angewendet.
Die Akte zur Abrissgenehmigung enthielt ausserdem den Verweis auf die Forderung der Kölner Polizei, den Kartäuserwall 14 so schnell wie möglich abzureissen, damit das Haus nicht wiederbesetzt werden kann.
Der überraschende erste Besuch und das dafür angefertigte Gegengutachtens zeigten in so fern Wirkung, das die Leitung des Bauamts stark verunsichert wurde. Die Fragen, die das Gegengutachten aufwarf, mussten von der Behörde beantwortet werden, allerdings nur, um eigene rechtliche Sicherheit zu gewährleisten. Die Baugenehmigung wurde zwar zwischenzeitlich gestoppt, es konnte aber nur eine temporäre Verzögerung erreicht werden.
Die Eigentümerin musste Unterlagen nachreichen, was bis Ende letzter Woche geschehen ist. Offen ist nun noch eine Anfrage der Hüsten zur Grenzbebauung des Neubaus an eines der Nachbarhäuser. Die Baugenehmigung kann nach wie vor mit einer Klage durch eines der anliegenden Häuser angefochten werden. Die eingesehen Unterlagen werden anwaltlich dahingehend geprüft.
Hingegen bezog sich der ordnungsrechtliche Stopp des Abriss kurz nach der Räumung auf einen formellen Fehler. Eine Firma, die nicht in der Abrissgenehmigung angegeben wurde, begann mit der Zerstörung des Hauses. Diese schnelle Aktion der Eigentümerin hatte nur zum Ziel, eine Wiederbesetzung verhindern, vor dem eigentlichen Abriss.
Ein kurzes und unvollständiges Resumé
Die Besetzung, Verzögerung des Abriss, die bisher zweiwöchige rund-um-die-Uhr Bewachung durch Securities und die Erstellung weiterer Unterlagen bereitet der Gewerbepark Hüsten GmbH zusätzliche Kosten und Aufwand.
Wenn es um Besetzungen geht, mischt sich die Kölner Polizei scheinbar gerne in baubehördliche Angelegenheit ein und nimmt aktiv Einfluss auf Abrissgenehmigungen. Dass könnte einige der jahrelangen Baulücken, die in Köln nach Besetzungen zurückgelassen wurden, erklären.
Das Vorgehen der Gewerbepark Hüsten ist eine geplante Aktion, um Familie Montag mit allen Mitteln aus ihrer Wohnung zu schmeissen. Dabei nimmt die Hüsten die Zerstörung des Lebensumfeld von Menschen in Kauf und ist daran aktiv beteiligt. Nach Ansicht der Baubehörde, kann eine Eigentümerin mit ihrem Eigentum tun und lassen was sie will, solange sie sich dabei „an Recht und Gesetz hält“, eben auch eine Zwangsräumung durchziehen oder ein bewohntes Haus vorsätzlich zerstören. Das sei seitens der Behörde für „die Genehmigungen nicht relevant“.
Wenn dieses Vorgehen durch „Recht und Gesetz“ abgedeckt ist, Gerichte und Behörden einseitig gegen Betroffene handeln und spekulative Profite durch Wohneigentum und Leerstand wichtiger sind als das Wohlergehen von Menschen, dann sollte die Eigentumsfrage ernsthaft gestellt werden um sich für eine lebenswerte Stadt einzusetzen und dieser Situation auf allen Ebenen etwas zu entgegnen, stadtweit Gegenvorschläge zu diskutieren und umzusetzen*.
Der Besetzer*innenrat und Sympatisant*innen des Kartäuserwall 14
Köln, 18.10.2015
* Besetzungen, Mietstreiks, Nachbarschaftstreffen; sich gegenseitig helfen und Öffentlichkeit herstellen; Druck auf Ämter, Behörden, Gerichte und die Polizei erhöhen; Anfragen an die Stadtverwaltung zu Zwangsräumungen in Köln und der Einflussnahme der Polizei in Behörden; das Leaken von Dokumenten, um Informationen zugänglich zu machen; Akten einsehen beim Amt und über das Informationsfreiheitsgesetz; den Akteuren ein Gesicht geben, sie aus ihrer Annonymität holen; die Kosten für jedes spekulative Bauvorhaben in die Höhe treiben; nach einer Räumung nicht locker lassen; die Mitarbeit am Abriss von intaktem Wohnraum verweigern; Vorschläge entwickeln und umsetzen, wie die Stadt von ihren Bewohner*innen gleichberechtigt gestaltet werden kann; bedingungslosen Wohnraum für Alle schaffen, …