Kanehsatake: 270 Years of Resistance, Alanis Obomsawin, 119min, 1993, OmU
Montag, 09.05.2016, 20h in der Zülpi290
Übersetzt von Warrior Publications
Die Oka-Krise 1990
Der Widerstand der Kanienkehaka in Kanehsatake & Kahnawake hatte tiefgreifenden Einfluss auf die indigenen Menschen in Kanada. Oka gab den Ton für den indigenen Widerstand der 90er Jahre an und inspirierte viele Menschen und Gemeinden zu handeln. Wie Wounded Knee 1973 rüttelte Oka eine ganze Generation auf.
Einleitung
Die Oka Krise von 1990 betraf die Mohawk Territorien Kanehsatake/Oka & Kahnawake, die sich beide in der Nähe von Montreal, Quebec befinden. Der Aufstand begann am 11.Juli 1990 mit einem bewaffneten Polizeiübergriff auf eine Blockade in Kanehsatake. Dabei wurde ein Beamter während eines kurzen Schusswechsels erschossen. Daraufhin wurde 2000 Polizeibeamten mobilisiert, die später durch 4500 Soldaten mit Panzern und gepanzerten Manschaftstransportwägen ersetzt wurden. Dazu kam See und Luft Unterstützung.
Während des gesamten Sommers war Oka die Top Story in den kanadischen Fernseh- und Printmedien. Die bewaffneten Warriors in Kanehsatake & Kahnawake inspirierten breite Unterstützung und Solidarität bei indigenen Menschen im ganzen Land. Es fanden Proteste, Besetzungen, Blockaden und Sabotagen statt, ein Zeichen für das große aufständische Potential unter den Indigenen.
Dieser Ausdruck von Einheit und Solidarität hatte zum Ziel, den Einsatz von tödlicher Gewalt seitens der Regierung einzuschränken, die damit den Aufstand beenden würde. Insgesamt hatte Oka einen tiefgreifenden Effekt auf indigene Menschen und war der wichtigste Faktor, unseren Warrior Spirit neu zu entfachen. Der 77 Tage andauernde Aufstand war außerdem als Beispiel von indigener Souveränität und der Notwendigkeit von Waffengebrauch, um Land und Menschen gegen die gewalttätigen Aggression äußerer Akteure zu verteidigen.
Widerstand in Kanehsatake & Kahnawake, 1990
Aus dem Vorwort von Dan David in „People of the Pines“
Meine Erinnerungen an diesen Sommer in Kanehsatake sind so verschieden von den Geschichten die in den Medien erzählt wurden. Deren Aufmerksamkeit bezog sich nur auf die Barrikaden. Für viele von ihnen war das alles nur eine Polizei-Geschichte; die Polizei und Armee waren da, um „Recht und Gesetz“ wieder herzustellen, um die Dinge wieder so zurecht zu rücken, wie sie vorher waren. Dabei waren die meisten der Menschen hinter den Barrikaden meine Familie, meine Freunde und Verwandten. Und die wollten nicht, dass die Dinge wieder so würden, wie sie vorher waren. Sie wussten, dass das Bedeuten würde, sich auf eine Einbahnstraße in Richtung eines Vergessen zu begeben, das Assimilation hieß.
Was löste die Oka Krise 1990 aus?
Zur großen Bestürzung Vieler war es die geplante Erweiterung eines Golfplatzes und der Bau neuer Luxuswohnungen durch den Oka Golf Club und der Stadtverwaltung. Dieses Vorhaben wurde im März 1989 zum ersten Mal angekündigt.
Mohawks in Kanehsatake waren sofort beunruhigt. Auf dem Areal, das zur „Entwicklung“ ausgezeichnet war, befand sich einer der letzten verbliebenen Kiefern Wälder (The Pines), ein Lacrosse Spielfeld der Gemeinschaft Gemeinde und eine Mohawk Begräbnisstätte.
Viele der non-native Anwohnenden sprachen sich ebenfalls gegen die Erweiterung aus, denn der Golfklub war nur für Mitglieder. Umweltschutz war ein weiterer Grund. Das Fällen von Bäumen führt zur Erosion des Bodens, ein großes Problem für Oka im 19. Jahrhundert.
Im April 1989 protestierten ca. 300 Mohawks gegen die Erweiterung in Kanehsatake. 75-100 Mohawks protestierten am 1. August 1989 während des symbolischen Baumfällens, das den Beginn der Bodenarbeiten einläuten sollte. Der Beginn der Arbeiten wurde daraufhin abgebrochen und Vertreter des Quebec Native Affairs & Federal Indian Affairs schalteten sich in die Verhandlungen ein.
Im Winter und Frühjahr 1990 führten Proteste und Verhandlungen zu weiteren Verzögerungen der geplanten Erweiterung. Am 10. März 1990 wurde eine alte Hütte in den Wald verfrachtet und ein Protestcamp aufgebaut. In Kälte und Schnee übernahmen Mohawks Schichten im Wald. Ein kleiner Holzofen wurde angeschafft. Eine Warrior Fahne wurde gehisst und nach zwei Tagen wegen interner Differenzen wieder abgenommen (einige wollten kein „konfrontatives“ und „politisches“ Camp).
Währenddessen wurden Funkgeräte und ein Polizeifunk-Scanner besorgt. Gerüchte verbreiteten sich, dass das Camp ein Außenposten einer Warrior Gesellschaft sei. Zum Schutz vor Übergriffen von weißen Bürgerwehren und anderen Mohawks wurden Schusswaffen beschafft. Dabei handelte es sich um Jagdgewehre, die versteckt wurden, aber zur Selbstverteidigung bereit standen. Mehr Menschen kamen in das Camp. Essensspenden und weiterer Community Support nahmen zu.
Gegen Ende März führten Übergriffe zu erhitzen Diskussion über die Nutzung von Waffen. Zur gleichen Zeit wurden Unterstützungsaufrufe an alle Lager der Iroquois Confederacy (Haudenosaunee) geschickt. Nur die Warriors würden auf diese Aufruf antworten.
In Ganienkeh kam es zu einer Konfrontation mit der Polizei, nachdem ein Hubschrauber der Nationalgarde angeblich beim Überflug über das Gebiet beschossen worden wäre. Nach der Verwüstung der Hütte am 22. April 1990, wurden Straßenblockaden an einer Schotterpiste, die durch den Wald verlief, errichtet,
Die Blockade bestand aus einem großen Zementblock am südlichen Zugang zum Wald und einem großen Baumstamm am nördlichen Zugang. Die Stadt Oka beantragte eine gerichtliche Anordnung zur Entfernung der Straßenblockade. Diese wurde am 26. April 1990 erteilt. Die Mohawks ignorierten sie.
Am 1. Mai 1990, der Tag an dem Arbeiter die Straßenblockade entfernen sollten, schlossen sich Kahnawake Warriors den Protestierenden an.
————–
Übersetztes Interview von September 2015
Dokumentarfilmerin erinnert sich an die Oka Krise vor 25 Jahren.
Am frühen Abend des 26. September 1990 verlässt die letzte Gruppe Mohawk Warriors ihr Camp und beendet ihren 77 Tage dauernden Aufstand – die sogenannte Oka-Krise.
Im Mittelpunkt der Krise stand eine ohne Rücksprache geplante Erweiterung eines Golfplatzes und der Bau von Eigentumswohnungen auf traditionellem Mohawk Land, auf dem sich auch eine Grabstädte befand. Kanehsatake begann mit einer friedlichen Blockade, um die Erweiterung zu verhindern. Am 11 Juli wurde die Quebec Provincial Police gerufen. Die Situation eskalierte in einem Schusswechsel, bei dem ein 31 jähriger Polizist getötet wurde.
Ich fuhr gerade zur Arbeit und hatte das Radio an. In den Nachrichten wurde berichtet, dass es einen Schusswechsel in Kanehsatake gab, sagt die Dokumentarfilmerin Alanis Obomsawin. Alle dachten, dass die Blockade zwei, vielleicht drei Tage anhalten würde.
Obomsawin ist Mitglied der Abenaki Nation und dreht seit über 40 Jahren Dokumentarfilme. Ihr Fokus liegt auf dem Leben und Anliegen der First Nations. Sie drehte vier Filme über die Krise. Der erste, Kanehsatake: 270 Years of Resistance (1993 ), gewann 18 internationale Auszeichnungen.
Wir begannen zu dokumentieren was passierte. Die Polizei kämpfte mit den Leuten, es war echt verrückt. Also sagte ich zur Person mit der Kamera ‚Lass uns das aufnehmen‘. Es war schockierend. Aber zu sagen ich wäre überrascht gewesen? Nein. Bis dato gab es hier viele Probleme wegen Landkonflikten und das war das erste Mal, dass eine Gemeinschaft so weit ging, sich zu verteidigen.
Obomsawin und ihre kleine Crew begannen innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft zu drehen, bis sie eines Tages von einem Polizeibeamten daran gehindert wurden.
Sie nannten mich ‚verdammtes Federgesicht‘. Das war schrecklich.
Nachdem sie mit dem Vorgesetzten des Beamten sprach, wurde ihr erlaubt zurückzugehen, aber sie entschied sich hinter den Polizeiabsperrungen zu bleiben, um sicher zu gehen, dass sie nicht weg gedrängt wurde.
Ich musste draussen mit den anderen Presseleuten schlafen. Ich hatte keinen Schlafsack oder ähnliches. Ich improvisierte aus einem Müllbeutel ein Zelt zwischen zwei Bäumen und Nachts war es kalt. Manchmal war ich besorgt und ich dachte an meine 20 Jahre alte Tochter … ich schaute die kleinen Kinder an und dachte ‚mein Gott‘, sie sind so jung, es wäre schrecklich, wenn sie ihre Eltern verlieren würden.
Die Furcht vor und hinter den Konfliktlinien war allgegenwärtig, als die Polizei durch die Armee abgelöst wurde und die Kahnawake Mohawks aus Solidarität die nahe Mercier Brücke blockierten.
Ich wusste, dass ich das bis zum Ende dokumentieren musste. Dann kam es im September beinahe zu einem Schusswechsel, als sich Soldaten und Warriors gegenseitig beleidigten. Wäre nur ein Schuss von der Armee oder den Warriors abgegeben worden, wären wir erledigt gewesen. Es wäre schrecklich ausgegangen. Wir hätten nicht gewusst, was in solch einer Situation von einem zum anderen Moment hätte geschehen können.
Obomsawin meint, dass die Öffnung der Brücke durch die Kahnawake den Weg zur Beendigung der Krise frei machte. Sie sagt, dass die Kanehsatake sich „hintergangen“ fühlten, denn die Krise würde noch bis zum 26. September andauern.
Der Traditional Chief sagte mir, dass sie gehen würden. I sah, wie die Warriors ihre Waffen verbrannten und sich all dieser Sachen entledigten. Sie waren wirklich bereit.
Obomsawin erzählt, dass die Warriors Zeit mit zwei Traditional Chiefs verbrachten, in Zeremonien, die ihnen halfen, sich auf den Frieden vorzubereiten.
Die Warriors waren danach ganz anders. Sie redeten anders, in einer andere Art des Seins. Sie wurden wirklich Teil des Stückchen Landes wo sie vorher noch Waffen hatten. Alles änderte sich. Ich glaube, wären die Chiefs nicht dort gewesen, wäre es mit Sicherheit zu einem Schusswechsel gekommen.
Gegen 16:30 Uhr wurde die Warrior Flagge eingeholt und die letzten Mohawks, darunter Frauen und Kinder, gingen in Richtung der Militärabsperrungen und beendeten somit den 77 Tage dauernden Aufstand.
Die jetzt 83 jährige Obomsawin berichtet, dass der Kamnpf um Landrechte mittlerweile in vielen Reservaten stattfand, dass der Widerstand in Kanehsatake die Debatte im ganzen Land änderte.
Das hat viele Leute auf vielfältige Weise gebildet. Vorher hassten und verachteten viele Menschen die Mohawks. Jetzt wird anders über diese Geschichte gesprochen. Sie haben nicht verloren, ganz im Gegenteil, sie haben gewonnen. Der Golfplatz wurde nie angelegt. Die Häuser wurden nie gebaut. Also haben sie gewonnen.
Obomsawin is optimistisch was die Zukunft betrifft, wenn sie Bewegungen wie Idle No More sieht und die Erfolge für indigene Landrechte, wie den Beschluss des Supreme Court, der mehr als 1700 Quadratkilometer Land in Britisch Colombia den Tsilhqot’in First Nation einräumt.
Ich sehe so viele unglaubliche Dinge passieren, dass ich mehr als ermutigt bin. Es gibt eine solch starke Bewegung, mit vielen Menschen, vielen Jungen Leuten. Ich glaube, dass es eine Erkenntnis unter den jungen Leuten gibt. Sie hatten viele Probleme mit Alkohol oder Drogen oder Selbstmord. Ihre Gedanken und Köpfe werden hellwach.
Obomsawin meint, dass sich die Jugend mit ihren Traditionen verbindet und Stärke darin findet, wer sie sind.
Ich bin so froh, dass ich das in meinem Leben zu sehen bekommen werde. Wir werden nun einen ganz anderen Weg einschlagen.
Links
Interview mit Alanis Obomsawin
http://ckom.com/article/221332/documentary-film-maker-remembers-oka-crisis-25th-anniversary
Warrior Publications zur Oka Krise
https://warriorpublications.wordpress.com/2014/06/11/oka-crisis-1990
Alanis Obomsawin in der Canadian Women film Directors Datenbank
http://femfilm.ca/director_search.php?director=alanis-obomsawin&lang=e
Idle No More Bewegung
http://www.idlenomore.ca
http://firstpeoples.org/wp/tag/idle-no-more
IdleNoMore im historischen Kontext
https://decolonization.wordpress.com/2012/12/24/idlenomore-in-historical-context